Die Bräute

Die Helle des Tages – die Schwärze der Nacht

Walzertakt. Kreisend vom Wind der Vergangenheit in unsere Gegenwart geweht kommen die Bräute getanzt. Den romantisch-verklärten Frauenbildern folgen Bilder des sehnsüchtigen Liebesschmerzes, der Zerbrechlichkeit und der Vergänglichkeit. Eben noch das blühende Leben, zeigen sich die Bräute nun dem Zuschauer als Meute kalter Weiber. Der Dreiheit des Walzerschrittes folgend überraschen sie in einer neuen Verwandlung: Schalkhaft, unergründlich, vital-animalisch werden Felle, Tierhäute, ein Schlangen- und Vogelkopf an und unter den Brautkostümen sichtbar. Großköpfige, spinnenbeinige, schuppige, schwebende Tierdämonen treiben ihr Unwesen.

Inspiriert durch Darstellung der Romantik von Heine, Eichendorff und Briefwechsel der Günderrode, Bettina von Arnim und Suzette Gontard sowie der Liebeslied-Walzer von Brahms, entsteht dieses szenische Ereignis für fünf Darstellerinnen, Menschen, Tierverkörperungen und einen Musiker.

Spieler Dörte Bauer / Mirjam Hesse / Lena Kießling / Ulrike Kley / Claudia Sill / Margrit Wimmer Regie Ines Müller-Braunschweig Choreografie Lisa Thomas Ausstattung Sylvia Wanke & Ensemble

double Magazin für Puppen-, Figuren- und Objekttheater 1/2008
Salut zum Fünfzigsten!
50 Jahre Puppentheaterfestival in Braunschweig
Von Anke Meyer

Irgendwie passend und gleichzeitig ganz und gar unpassend gerät das Open-Air-Vorspiel des Jubiläumsfestivals: Vor dem neu errichteten Schloss, mit dem darin befindlichen Mega-Einkaufspalast ohnehin mehr Kulisse als historisches Gebäude, paradieren zwei Formationen: ein Trupp Jäger und eine Gruppe von Bräuten in Begleitung eines Akkordeonspielers. Die einen sind echt und wollen (Tatsache!) zum Geburtstag eines Braunschweiger Herzogs einen gewaltigen Salut schießen. Die anderen sind Studentinnen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst aus Stuttgart und geben mit ihrer Straßenshow „Bräute“ (Fälschung!) den beeindruckenden „Appetizer“ für den Festival-Geburtstag. Blöderweise wissen beide nichts voneinander. Die Theaterleute bekommen einen furchtbaren Schreck angesichts der recht militant wirkenden Jägerschaft, diese wiederum will sich durch falsche Bräute nicht von ihrem anachronistischen Tun abhalten lassen und auch nicht einen Zoll breit weichen. Also wird geböllert was das Zeug hält, die Bräute walzen zu Akkordeonklängen. Und nicht wenige unter den zahlreichen Zuschauern gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Jäger zu diesen wunderschönen, schneeweißen Bräuten gehören, dass sie ihnen, auf die von der vorgetäuschten Schlosskulisse etwas ebenso täuschende Noblesse abfärbt, Salut schießen. Wie sie dann das Verschwinden der unwirschen Aristokraten-Gratulanten mit der Verwandlung der zarten Jungfrauen in überdimensionale Schlangen und Spinnen inhaltlich verknüpfen, mag man sich ausdenken.

Erlanger Nachrichten 09.05.2005